Poesie und Kunst

(Texte zu Bildern)

Die Farben

Gar nicht von oben fällt das Königsblau im Nu färben
sich die Kleider öffnen die Knöpfe zeigen das Weich-
geformte
von der Seite Nepalgelb im Galopp verfängt sich
an der Pforte Turners Ocker mit einem Anflug von
Umbra landet auf der Korde von dort wird es
zurückgeschubst dazwischen drängt sich das Magenta
rückt nach vorne die Topfarbe will es sein
Kadmiumrot dabei
irritiert ist der Kopf steht doch dieser Ton aufs Verbot
nicht hier im Strudel der Farben
die sind aus einem Kreativgeschäft ausgebrochen
toben sich im Freien es tropft dropping
der Pollocks Jüngste tänzelt um die Leinwand Erde
spritzt gießt
Indigo Vandyckbraun wer einen Eimer hat macht es nach
bis es gischt in Azoviolett posieren Gullys Souterrains
sowieso das Furniergrau verschwindet jetzt platscht
Hookers Grün ins Spiel
nichts kann sie aufhalten diese Farben wer schnell ist
schnappt sich Zichorienweiß gemixt mit Fendorosa
silbergetüncht tupft es sich auf die Stirn
bis es schimmert schön wie eine Rosette

Text: Irena Habalik
Bild: Hanni Smigaj: Bild Nr. 29 O/Titel, Öl auf Acryl auf Leinwand, 150×100 cm (2010) aus dem Buch „Farbklänge: Ausstellung im Kommunikationszentrum der Kreissparkasse Steinfurt“

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Palmyra

Wie sie da liegt diese Stadt dieser Ort Palmyra
Auf dem Sand gebaut Aus dem Sand aufgeblüht
Aus den Steinen gebaut Auf den Steinen aufgeblüht
zur Mitte der Welten

Herwig Zens: Palmyra, aus dem syrischen Skizzenbuch, Bleistift, 14×21, 2010

Unter dem Himmel aus Wüste die den Schutz gewährte

Worte wurden aufbewahrt kein messerscharfes Wort
Ein Volk das an seinen Träumen festhielt
Sie in seinem Archiv ewig behalten wollte

Wie sie da liegt auf einem Blatt Papier
In Weißkaramell In zartem Grau
In dem sich ein blasser Schimmer der Ferne verirrte

Und sie saugt ein das schwere Ein-Ausatmen
ihres Schöpfers
und das Staunen in den Augen der Betrachter

Noch kein Wind der in den Mauern klagt
Kein Feuer Asche Geruch
Ein Ort im Tal der Ruhe umgeben von Bergen aus Sand
der alle Geschichten ins Gedächtnis überträgt

Text: Irena Habalik
Bild: Herwig Zens: Palmyra, aus dem syrischen Skizzenbuch, Bleistift, 14×21, 2010

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Eine Sintflut von Blau

Eine Sintflut von Blau
durch Betondächer
gießt sie sich
auf Zimmer und Luster
streicht Mahagonipolitur an

Die Natur hat tausend Farben
ich sehe nur eine
aus den Kürbissen tropft
Azursaft

Eine Sinfonie in Blau
Der Donauklang bekommt
ihren Urklang zurück
die Weichsel passt sich an
im Ton und Takt
in der Ferne endet
das letzte Schießen
Still wird es

nur ein unbestimmtes
Summen
im Korallenbeerenstrauch

Text: Irena Habalik
Bild: Bettina Mohr: Fließendes Blau, Serie Blau, Pigment, 78×46 cm, 2002

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Der Leuchtturm

Wer stellte ihn dorthin? Mitten ins All.
Eine Beute für die Winde, die ihn peitschen,
Stürme, die ihn stürzen wollen.
Für die Vermessung oder Laune der Wellen da?
Diese Übergröße
erbarmungslos spießt er den Himmel auf,
will er hoch hinaus zu den Göttern?
Ein Turm ohne Aussicht aufs Bessere,
ohne Terrasse, die die Sterne lockt darauf
zu landen und beleuchtet nur sich selbst
wie Heizkörper, die sich selbst wärmen.
Wir nähern uns ihm aus der Ferne,
in Gedanken fahren wir auf Virginias Spuren,
ein Paar graumüde von der Erwartung,
stets blickend zu diesem Riesen
im Nebelschleier: wird er ewig einsam bleiben?
Verwünscht er nicht seine Lage
an heißen Tagen? Wer rettet ihn,
wenn die Wolken ins Wasser fallen? Zeigt er
uns die Richtung, wenn wir irren im Dunkeln?

Le Finistère, Bretagne

Text: Irena Habalik
Bild: Heike Wenig, Elektrischer Leuchtturm Borkum, Aquarell, ca. 2003
www.heikewenig.de

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Es grünt
auf den Lippen Zungen Balken
auf den grauen Decken
Grün ist
Geduld Verwunderung
eine aus dem Schacht fliegende Metapher
Im Grünen
führen Libellen ihre Vorführungstänze
flattern
Blaustaub Violett Rosablätter
Im Grünen sein
im Stillen
Verborgenen
Ins Grüne fallen
ohne Worte Kleider
fallen aus allen Wolken

Text: Irena Habalik zu dem Bild „Im Grünen“ von Roman Haller, 2002
Bild: aus dem Buch „Roman Haller“, Hrsg. Johannes Scheer, Wien: Kunstverlag Wolfrum, 2008

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Die Linien

Man sieht es genau; die Linien gehen spazieren
auf dem weißausgelegten Feld, noch wird keine Richtung
verraten, noch nicht sprüht es Farben, elegante,
filigrane Gebilde, Pilger zu den Geheimstätten
Tiefspuren hinterlassend. Ein Wink von der Seite,
wie die aufgescheuchten Puppen beginnen sie zu laufen,
kreuz und quer durch die leichtgewellte Ebene verbiegen
sich, verflechten, verknäulen, ein Wirrwarr,
man sieht es ungenau, da rechts vom Graziösen
nur ein Rest und alles was sich bewegt, das Flache
schweben lässt, wird vom Rand zurückgedrängt,
an der Grobkante enden. Ob es wohl helfen würde,
in die Breitrahmen zu springen? Sich dort zu
vervollkommnen.
Den Wildlauf könnte man verhindern, wenn man auf sie
aufgepasst hätte.
Es hieße dann: Wenn die Linien spazieren gehen.

Text: Irena Habalik
Bild: Dagmar Stefanie Menke: Lebenslinien, Acryl auf Leinwand, 30 x 30 cm, 2006
https://www.menke-dagmar.de/

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Winter

Was soll man noch schreiben über den Schnee
der die Böschungen, Gullys verfärbt
die Zitterpappeln, die Trauerweiden tröstlich umfängt
Der Schnee ist kindisch, kitzelt, streichelt die Wangen
will verzaubern. Das Weiße ist weise, genügsam,
es ist die Unschuld, die Entschuldigung für das Düstere,

für die noch nicht erfundenen Farben, es liegt aufgeschlagen
vor dir wie das Land, das du vielleicht liebst
Das Gesicht des Mannes, der im Fieber
über das Giebeldach will, wird erhellt und wir
haben Augen nur für das himmlische Spiel

Was noch schreiben von dem windversprühten Blau
den weißen Raben
wo träumen sie sich hin oder lugen sie nur
aus einem Bilderbuch, vom Winterpeitschen verschont
den wunden Krähen beneidet
Nachsicht der Stunde, lichttiefe Töne werde ich einmengen
und was sich nicht hineinfügt übermalen
Es wird flittern wie die stille Nacht in der Krippe

An so einem flockigen feinüberzuckerten Tag
versöhnt man sich mit der Welt
Man könnte schreiben vom Schneevermächtnis:
auftauchen, auftauen und bleiben im Gedächtnis

Text: Irena Habalik
Bild: Klára Hůrková: Winterlandschaft – Zimni krajina. Öl auf Leinwand, 47 x 57 cm, 2003
https://www.hurkovaklara.de/

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Hinter den geschlossenen Türen

werden die Gabeln poliert für die nächste Zugabe
wird Posaune geübt für das Jüngste Gericht
zu große Brust flach gelegt und geschmeckt
zu kleiner Kopf in den Topf gesteckt

wird laut diskutiert
über die Abwesenheit der Milch
wird geklagt über das Nachlassen der Schwerkraft
Hinter den geschlossenen Türen wird die Liebe
kalt begossen
werden die Messer gewetzt, in die Tasche gesteckt
die Unwahrheiten serviert zu den Mahlzeiten
wird Brecht zitiert und Benn applaudiert

das Perverse wird hier probiert für die Lieblingsverse
die Einsamkeit gepflegt bis es nicht mehr geht
die Suppenlöffel werden gelöchert
schöne Gesten vorbereitet für die Abendgäste
gewartet wird auf den Besuch bis zum letzten Atemzug

Text und Foto: Irena Habalik

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Er tanzt, der Tod

zu den Bildern „Totentanz“ von Herwig Zens

Er ist bunt fröhlich er tanzt hüpft feierlich
ein Narr hüpft ekstatisch verführerisch
ist lustig hat Lust drückt ein Mädchen an sich
kniet vor ihr
er kommt aus dem Nichts
riecht nach Nichts riecht nach Farben ist bescheiden
will nur tanzen und tanzt mit einer Schönheit
mit dem König dem Papst
dann verbeugt er sich galant holt einen anderen
mancher lässt sich gerne holen ein Tanz ein Trost
für den Bettler für den Blinden
er grinst zufrieden wie die Mumien von Palermo
ihm sind alle gleich
alle kennt er beim Namen
die Erde dreht sich mit grün wirbelt er
in den Frühling hat winterstarke Beine immer
unterwegs
der Maler kreist mit dem Pinsel um ihn er posiert
gerne ein Kerl mit Charme ein ewiger Star
mal spielt er Flöte Geige mal schleicht er sich
verkleidet an
ob man mit ihm verhandeln ihm nicht folgen könnte?
Er will nichts nur sich amüsieren
Wer wird da Angst vor ihm haben und mancher
fürchtet sich vor dem Leben

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Brief aus der alten Heimat

Setzt du fort dein Lieblingsspiel, was wäre wenn
Schrumpft deine Zeit oder dehnt sie sich aus
Hast du versucht Berge zu versetzen, bist du versetzt
worden. Wer hält dich an der Hand, wenn du Angst hast
Was reimt sich aufs Wort: Milchmädchenrechnung
Schläfst du im Winter auf dem Rücken um faltenlos
den Frühling zu verbringen
Wie erklärt man dem Kind den Unterschied zwischen
Auflehnung und Anlehnung
Was fühlt einer, der sieht die Winkenden zum Abschied
Wie erzählst du deine Geschichte: auf eine neue oder
alte Art. Was versetzt dich mehr
in Staunen: die glattpolierten Oberflächen, zahnlose
Münder oder Türen, die sich vor dir nicht öffnen
Hättest du Leere im Kopf, womit würdest du sie aus-
füllen: mit Rosinen, Grützen oder Kichererbsen
Wusstest du vorher, dass dort der Hahn nicht dreimal
kräht und der Regen nach Tränen schmeckt
Wenn du träumst, dann in welcher Sprache
Geht dir die alte Heimat ab, gehst du ihr ab

Text: Irena Habalik
Bild: Originalbrief aus der alten Heimat

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Kein Glücksrad

Ein Windrad bin ich, eines von den dutzenden
In Glied und Reih stehen wir
auf diesem menschenleeren Hügel
sich drehen sich drehen meine Aufgabe
Der Sturm macht die Flügel wund
In der Hitze verbrennen die Wurzeln und wo sind sie
Ich sehe sie nicht, ich muss mich drehen
Wer fragt ob ich es will und wozu es gut ist
Es ist als ob 11 Menschen einem Ball nachlaufen würden
laufen laufen bis einer umfällt
Und diese Felder rundum
nichts für die Verwöhnten oder Vögel und es stinkt
wenn der Feldgott böse Blicke schickt
Der Himmel tut mir leid
dieses Kratzen auf der weichen Haut
die Luft tut mit leid, so viel Wirbel und nichts dahinter
Ich hatte keine Wahl, man stellte mich hierher:
du smartes Rad
es blitzt anders im Tal als auf dem Hügel
finde dich ab, du bist kein Glücksrad

Text und Foto: Irena Habalik

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Embryo 1

Ein Bündel aus Nerven Blut
und Herzpochen?klima
Eine Kreatur welche die Knie
an den Oberbauch preßt?
Eine rare Wasserpflanze?

Die Augen halbgeöffnet
Eine leichte Mundbewegung:
der erste Gruß an die Welt?
der erste Dank?
Das Warten
das monatelange Verharren
in einer Luftposition
Das Wasser im Atem

Du zarte Pflanze
manchmal blühst du rot auf
wirst vom Boden gerissen
und gespült
an ein unbekanntes Ufer

Text: Irena Habalik
Bild: Prof. Dr. Milan Klima: aus der Serie „Phantastische Anatomie“

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Embryo 2

In sanften Wellen werde ich gewogen
Helle Gesichter neigen sich zu mir
Die Engelsstimmenklima_2
Eingebettet im Bauch der Welt
wo nur das Träumen zählt

Dieser Zauber der Stunden
Im Hirn noch die Leere
schön riecht die Haut,
nach Wasserlilie

Da höre ich Winde und Wölfe heulen
Eine Ahnenstimmen hat mich gewarnt
Nach Außen gepresst –
Ich wehre mich
Aber schon greift nach mir eine Hand

Text: Irena Habalik
Bild: Prof. Dr. Milan Klima: aus der Serie „Phantastische Anatomie“

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Im Hirn; hier paaren sich die harten Konsonanten mit
den weichen Vokalen gebären Worte Sätze
ein Wort feilscht mit dem Gegenwort ein Nebensatz mussklima_3
sich gegen den Hauptsatz behaupten hier wird die Form
geknetet das Formalin fodiert eine Metapher entschlüpft
der grauen Hirnmanteltasche der Reim feilt an dem
Rhythmus
Ein Beistrich wäre lieber ein Punkt der Schlusspunkt
der alles abrundet überlegt seine Existenzberechtigung
Das Gehirn ein Herd auf dem es brennt
Der Körper auf dem Bett die Hände entlang der Ober-
schenkel der Blick durchbohrt die Zimmerdecke
reitet auf den Sehnsuchtswellen zu den Zinnenwäldern
den geschorenen Bergen
In der linken Hirnhemisphäre schreibt sich Zeile für
Zeile ein Gedicht von alleine
Irgendwann hebt sich der Körper und die unruhige Hand
schreibt alles vom Hirn aufs Papier ab

Text: Irena Habalik
Bild: Prof. Dr. Milan Klima: aus der Serie „Phantastische Anatomie“

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Schwarze Frauen

Wo gehen diese Frauen hin
in schwarzen Mänteln und Kopftüchern
wie die Kohlensortiererinnen
Wo gehen sie hin einzeln und
nacheinander
Hat sie der Berg eingeladen
der in der Ferne leuchtet
der Himmel im Dunst und Nebel?
Frauen ohne Schatten
und atmen die schwere Luft ohne
zu klagen
oder krächzen sie nach innen
Weinen sie sich geheim
in die Fäuste wie kleine Mädchen
Wer wird sie empfangen
feierlich mit Kerzen
Wer wirft ihr schweres Atmen weg
kleidet sie in zartes Pastell
und welche Sonne wird ihre schwarzen
Köpfe der Erde zugeneigt streicheln

Text: Irena Habalik
zum Bild von Marianne Werefkin, Die schwarzen Frauen, Gouache auf Karton, 1901.

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Innere Landschaft

Hier wachsen Beete
mit Butterblumen Pastinaken
Lavendel
an den Mauern Unkraut
verträumt gepflegt
Eichhörnchen schmiegen sich
an die Füße
manchmal kommt ein Perlhuhn
zu Besuch
mit dem warmen Schnabel
streift es den Winterabend

Hier hat die Zeit kein Ziffernblatt
liegt der Mond
der Kindheit
auf dem Teller
man kann ihn schmecken
wie die Zuckerringe

Und wenn es mir
im Herzen grünt gehe ich hinaus

Text: Irena Habalik
zum Bild von Jean Bazaine, Innere Landschaft, Aquarell, 1945

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Sie kämmt ihr langes glattes Haar

Sie kämmt ihr langes glattes Haar
in einem rechteckigen Raum
Jeden Tag
vertrautes Streichen mit dem Kamm und
der unergründliche Spiegelblick
in dem sie versinkt
der sie dann selbstsicher aufhebt
zu Neuem bewegt
Und jedes Mal schwebt
ein leuchtendes Haar und es bricht durch
die Stumpfheit des Raums

Manchmal wenn der Schlaf noch
im Morgenmantel schleicht
bäumt sich etwas in ihr:
die Haare könnten davonfliegen
wie das Bisherige
davonfliegen über ihr ratloses Ebenbild

Text: Irena Habalik
zum Bild von Tizian, Sich kämmende Schöne, Öl auf Leinwand

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Quadrat

Mathe und Quadrate mögen wir
Die Quader
Hineinpassen mehr Zahlen als ins Rechteck

Ein intelligenter Buchstabe das Q
bürgt für Quote Qualität Quelle
Das S das Gegenteil: Stau Sarkom
Sediment
Man kommt nicht aus dem Staunen

79 Q-Wörter, kein Quentchen mehr
für das Mehr würde man sich quer legen

Quadrate malen
frei nach Vasarély
wie sie schweben
bunte optische Täuschungen
als schwebten luftige rundliche Figuren

Text: Irena Habalik
zum Bild von Josef Albers, Huldigung an das Quadrat, Öl auf Masonit, 1973

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Von allen Seiten

das Gelb das über
die Kanten und Ecken
schwebt
die müden Flächen
schleift
schwungvoll
die Rundungen
überholend
in den Herbst lenkt
gelb geduldig
das nicht vor der Kälte
zurückweicht
das glänzt
auf allen Seiten
lichtvernetztes Gelb

Text: Irena Habalik
zum Bild von Gerhard Hoehme, Die gelbe Paraphrase, Öl auf Leinwand, 1959

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Vor der Leinwand

Mit einem Schwamm wischen tupfen
die Walze kreuzquer ziehen Mit einer Stupfbürste tüpfeln
einem Schlichter schlichten dazwischen Quittenstücke
in den Mund schieben Am Fettverklebten kratzen
und die Lappen zu Ballen wickeln abschleifen keilen
und lasieren Mondrians Quadrate Krakelierlack
Trompe l’oeil Yin Yang
und warten auf diese schönen Momente aus Nichts als
Lasur Licht Schatten Im Schattenlicht scheitern
auf den warmen Glanz warten und diese Freiheit
vor der Staffelei Dieser Raum vollgestopft der immer
wieder lockt und
diese Leinwand weiß die lange nichts weiß und der Schlaf
am Ende der Nacht Der warme Glanz danach

Text: Irena Habalik
zum Bild von Mimmo Paladino, Ich gebe mir Mühe, ein Bild zu malen, Öl auf Leinwand, 1977

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Der blaue Baum

In diesem Baum wohne ich
seine Wurzeln meine Wurzeln
blau tupfe ich mir die Haarsträhnen
harzleuchtet das Gewand
Durch einen Spalt sehe ich Spitzwegerich
Schaumkraut
das Weiße fliegt kieselwurfleicht
an der Sommerrinde lehnen
die Landvermesser
in den Feinstaubschichten verfängt sich
ein Fernwort und bleibt eine Metapher
Ach das habe ich hinter mir
dieses Klagen der nichtgeölten Tage
ein Flügelschlag genügte
um den Blick zu entzweien
Von hier wird man nicht vertrieben
in den Nischen hängen die Stammtafeln
rieseln die Sanduhrkörnchen
die Zeit wird ausgedehnt
über den Rand
Im Urwortschatz suche ich mir
einen Namen: Tajumin
er riecht nach Süßtabak
alt werde ich wie dieser Baum

Text: Irena Habalik
zum Bild von Piet Mondrian, Der blaue Baum, Öl auf Karton, um 1909/10

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