Gedicht auf Wunsch
Es ist Zeit für ein schönes Gedicht, sagst du
Zeit zu den Wurzeln zu gelangen
an die Erdkruste zu klopfen bis sie locker wird antwortet
Zeit die Bäume zu umarmen Steine zu streicheln
Spuren im Schnee zu hinterlassen
für späteres Erinnern
Zeit die Windbraut unter dem Gelände
mit warmen Worten zu besänftigen
die Finger auf die Lippen zu legen nein zu sagen
wenn ja versagte und umgekehrt
Zeit neue Farben und Klänge über die Dächer
zu gießen
das ewige Raddrehen zu unterbrechen
Zeit für die Reparaturen
im Keller am Schädel und in der Welt, der beschädigten
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Übermalungen
und gehen mit dem Pinsel in der Hand und übermalen
die grauen Hinterhöfe die Haltestellen die dem Frühling
den Einzug erschweren das Rote damit es nicht blutet
gehen vorbei an den Pfützen knarrenden Portalen
mit den Farben und übermalen die Blassen
und das was uns die Angst einjagt
konsequent zum anderen Kontinent ohne Eile
ein Spaziergänger im Rausch der Farben
Schritt für Schritt mit tanzendem Goldschimmer
in den Ohren mit den Schirmen gegen Launen der Sonne
und das Rohe ins Geschmeidige umformen
das Holprige abschleifen den Pinsel geschickt ziehen
die bunten Körnchen geübt mischen
Schicht für Schicht auftragen bitte zerbrich nie das Licht
und sieh wie sich das Untere windet
ohne Klagelaut verschwindet sieh es glitzern Pastell
Orangengelb Silber das erweiterte Land erhebt sich
man hört Lachen aus den Lautsprechern
Singen das vom Himmel herabfällt und bleibt
an den Lippen hängen
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Ob dir etwas gehört?
Das Spiegelbild? Die weißen Stunden
aufgeschnappt an einem Winterpfad:
vielschichtig knisternd eisbegierig?
Du siehst die roten Punkte von den Wangen
auffliegen Sie folgen den unruhigen Vokabeln
In der feuchten Luft zeichnest du nach
die winzigen Pflanzenköpfe mit den Härchen
Hörnchen Irgendwo stecken ihre Gemüter
Jemand tauscht Gebet gegen Brot
Eine Art der Gerechtigkeit?
Gegenstände belauschen uns prüfen unsere
Bereitschaft stellen Listen auf
Und wir um sie geschart Was sagen wir?
Ob dir etwas gehört?
Alles gehört dir Schließlich zahlst du dafür
mit deinem Leben
Auch der Himmel ist dein obwohl er dir
manchmal auf den Kopf fällt
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Die Liebe und die Toten
Dein Mund schmeckt nach Schnaps und Schokolade,
ich küsse dich, will es dir zeigen; das Album mit
den Ahnen. Es ist leise, Zeit ist’s zum Vorzeigen,
während die Kerzenflamme zittert, während du an
meinen Blusenknöpfen hantierst, öffne ich das Album.
Alle sind tot, alle sind hier versammelt.
Das ist L. das ist V. und das ist T. Sie sind alt, jung,
stehen breitbeinig, lachen, schreien stumm, sie halten
das Glück fest in den Blicken.
Und sie leiden, hier eingesperrt nicht bewundert.
Die frische Luft kommt rein, sie werden von
den Nachttropfen befeuchtet. Und das ist L. und G.,
er küsst sie, wie du mich jetzt küsst und dahinter
schlängeln sich die Lichtstrahlen durch das Gebüsch.
Und das ist M. die immer sagte,
von oben werde ich alles sehen. Ob sie es sieht,
dass jemand meine linke Brust knetet, während ich
über ihren Hut lache.
Dein mattes Gesicht, ich umarme dich, es sind nur Tote.
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Lebenslauf
Auf einer halben
Seite
des Papierblattes
DIN A4
hat es gereicht
Etwas vergessen?
Verschwiegen?
Lauf des Lebens
Lauf ums Leben?
Du liest was
auf dem Papier
geschrieben
steht
du liest es
von hinten
Jetzt verstehst du
dein Leben besser
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Hiob im Park
Ich baute ein Haus,
Stark sein Fundament wie die Ozeanwellen
Zitronendüfte flimmerten umher
Ein rosiger Papagei sang
Eine Schaukel hob mich hoch zu den Kronen
Ich zeugte einen Sohn
Seine milchige Haut, sein Lachen
ließen meine Zellen schneller wachsen
Später übten wir es im Keller
Ich ließ ihn gewinnen, er grinste wie ein Held
Ich sammelte Worte wie die bunten kleinen Steine
schrieb ein Gedicht
In seine Brust drückte ich das Gesicht
grün wie die Zuversicht
Jetzt sitze ich da, ohne Dach
Die Flamme war stärker als der Ozean
Der Sohn wurde ein echter Held
grinste nicht, verleugnete den Keller
Kein Wort fand ich mehr
Das Gedicht rollte davon, den Steinen nach
Jetzt sitze ich da, den Blick nach oben gerichtet
und warte auf die Antwort
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Was weiß das Gedicht?
Kennt es seinen Klang, die Farbe, das Gewicht?
Spürt es den Raum, der einsamer wird? Sieht es ein Hand-
gelenk, eine Tastatur, die Worte, die drängen aufs Papier?
Ruft es deinen Namen nachts? Bläst es dir
das Irrlicht in die Stirn?
Du steckst den Kopf in seinen Sand, zählst den Rest
hebst das Glas mit seinen Initialen, du erhebst dich
bist riesengroß, während es schrumpft und umgekehrt
du horchst an seiner Tür, suchst Zuflucht in der Schrift
du ahnst was innen quillt nach außen will
Es ergötzt sich an deinem Geschlecht, es ist dein Sprung
ins Vogelgezwitscher und
es liebt dich wie ein Lieblingsgericht, es spuckt dich aus
mit Haut und Haar, kehrt um, du bleibst zurück
wo du nicht bist, es ist was es ist (E. Fried).
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Bücher
Sie alle kommen zu mir
die Ausgesetzten auf den Flohmärkten
die Harten
die mit den Eselsohren
nehmen Platz auf den Gästestühlen
Nickend wenn ich mir eine Metapher
vom Sockel herunterhole
spöttisch wie ich da sitze
auf dem Hocker des Ungereimten
Dann tobe ich ihr schweigt und
das Draußen fällt in Ohnmacht
lasst mal die Wahrheit dran
sie senken die Rücken
gleich den wunden Vögeln
versöhnt zwitschern wir
im selben Takt bis die Kanten kippen
Nie verderben sie ein Spielchen
das ich treibe
und immer ein Wort parat
für den Innenproviant
Freunde ich trinke auf euer Wohl
aber ihr stiegt längst auf
den herbeiwinkenden Göttern entgegen
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Flug über Europa
Da liegst du unten in einem Mirakokon. Bist du
eine Fossilie? Ein erfundener Fraß für die Flaxen?
Lichtjahre umspülen dich, dein Bild ein Phantom,
der Name aus drei Silben; Wahrheit oder Dichtung?
Agenors hochbetagte Tochter, krumm,
mit welken Brüsten. Jetzt schläft sie, eingerollt
wie ein Embryo. Wartet sie auf die Neugeburt?
Jetzt schläft sie, träumt von Göttern, die sie
erretten? Leckt sie sich Wunden, bricht
ins Gelächter? Wäre sie gerne Freiheitskämpferin
eine Landpomeranze?
Träumt sie von Siegen, Versäumnissen,
vom Fallen ins Ungewisse?
Ach Europa, in diesem Flugzeug auf 8000
Meter Höhe, wo sich Wolkendichte, Morgenröte,
Sternenfunken zu einem Vers verdichten,
fühle ich dich nahe, du lächelst wie Madonna
von Tschenstochau, du bist jung, schön,
eine Schönheit ohne Vergänglichkeit.
Ich bin aber nur ein Mann, wie du so sanft liegst,
möchte ich dich in die Arme nehmen, liebkosen,
bevor du aufwachst und mir eine runterhaust.